Stell dich nicht so an, es ist doch kein Beinbruch!

„Mir geht es mehr als gar nicht gut, was soll mir mein Leben denn noch bringen! Ich belaste doch nur alle! Jeder sagt mir, ich soll mich einfach zusammenreißen und mehr lächeln, dann wird es schon von alleine wieder weggehen!“

Dies ist einer der 0815 Aussagen, die Betroffene in psychischen Ausnahmesituationen zuhören bekommen. Es ist zwar oftmals nicht böse gemeint, sondern eher fehlendes Wissen, aber es bringt weder den Betroffenen noch den Angehörigen weiter.

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Viele Menschen kennen das Gefühl, in psychischen Ausnahmesituationen mit 0815-Standardaussagen beruhigt oder abgespeist zu werden, es fehlt das Gefühl ernst genommen zu werden.

Stellt euch selbst einmal die folgende Frage:
Wenn du dir das Bein gebrochen hast, sagt dann auch jemand zu dir „Stell dich nicht so an, das ist ja kein Beinbruch?“ oder etwa doch? Psychische Krisen sind genauso ein medizinischer Notfall wie ein Herzinfarkt oder Schlaganfall und kann unbehandelt ernsthafte Auswirkungen auf das eigene Leben und der Gesundheit haben.

Ja richtig gelesen, suizidale Gedanken und psychische Krisensituationen sind ein medizinischer Notfall und berechtigen dazu, professionelle Hilfe durch den Rettungsdienst unter der Rufnummer 112 einzufordern. Besonders wenn es keine vertraute Menschen im eigenen sozialen Umfeld gibt, die euch unterstützen können und ihr euch nicht mehr dazu in der Lage fühlt, die öffentlichen Verkehrsmittel oder ein Taxi zunehmen.

Es kommt nicht immer sofort die Polizei, der Notarzt und ein Rettungswagen mit Blaulicht zur sogenannten Zwangseinweisung, fachlich Psychisch-Kranken-Gesetze (PsychKG) genannt, das ist ein allgemeiner Volksglaube, der nicht zutreffend ist.

Sofern ihr es nicht mehr alleine in die Notaufnahme schafft und ihr keine akute Sofortrettung benötigt (bspw.: durchgeführter Suizidversuch), schickt euch die zuständige Rettungsleitstelle einen Krankenwagen ohne Blaulicht. In der Regel kommt der Krankenwagen zwischen 1 und 2 Stunden, was jedoch auch mal ein paar Stunden mehr dauern kann, bis der nächste Krankenwagen frei ist. Das medizinisch qualifizierte Rettungspersonal sorgt dafür, dass ihr die Hilfe bekommt, die ihr benötigt. Das qualifizierte Rettungspersonal ist für unter anderem auch für psychiatrische Notfälle ausgebildet, diese werden euch in der Regel weder werten noch eure Situation herunterspielen.

Generell bringt euch der Krankenwagen dann in die nächstgelegene Klinik mit einer psychiatrischen Akutstation oder je nach Stadt zur zuständigen Klinik.

Anders, als das Gesellschaftswissen suggeriert, erfolgt die Behandlung in der Notaufnahme nicht deutlich schneller, „nur“ weil ihr mit dem Rettungsdienst kommt, das ist ein gesellschaftlicher Irrglaube.

In der Notaufnahme wird jeder Notfall, egal ob physisch oder psychisch ernst genommen, jedoch werden die Notfälle nach der sogenannten Triage abgearbeitet. Das Ziel mit dem Rettungs- oder Krankenwagen ist, dass ihr während der Wartezeit unter professioneller Aufsicht seit, bis der entsprechend qualifizierte Bereitschaftsarzt das Gespräch mit euch suchen kann.

Ben

Ben ist seit 20 Jahren als Fachpfleger im Gesundheitswesen tätig. Von 2018 bis 2023 war Ben als geschäftsführender Pflegedienstleiter für einen Anbieter der ambulanten Krankenpflege mit den Fachbereichen der außerklinische Intensivpflege und Palliativversorgung sowie als Fachtherapeut für Wunden für das Wundmanagement zuständig.